Druckmessung in den Bandscheiben
Beeindruckender Selbstversuch von Orthopäden
Die Kernthese der Matratzenanbieter, dass im Liegen nur eine gerade ausgerichtete Wirbelsäule die Erholung der Bandscheiben gewährleistet, ist nach dieser Untersuchung nicht mehr haltbar.
Das Team um Dr. Wilke hatte einem Mitglied dieser Gruppe (ebenfalls ein Orthopäde) eine elektrische Messsonde in eine Bandscheibe der Lendenwirbelsäule implantiert, um damit die Drücke in der Bandscheibe bei den unterschiedlichsten Körperhaltungen und Bewegungsabläufen genau messen zu können.
Es wurde ermittelt, dass der Druck in der Bandscheibe bei der Rückenlage mit 1 bar am geringsten ist, in der Seitenlage ist der Druck mit 1,1 bar dagegen geringfügig höher.
Dabei wurde festgestellt, dass der Druck in der Bandscheibe nicht vom Beugewinkel abhängt, also nicht davon, wie die Wirbelsäule ausgerichtet ist, ob sie nun gerade liegt oder gekrümmt. Entscheidend ist vielmehr, welche Spannungen auf die Wirbelsäule abgeleitet werden.
Schon beim herzlichen Lachen erhöht sich der Druck auf 1,5 bar, beim Nießen auf 3,8 bar, beim Wechsel der Liegeposition geht der Druck in den Spitzen sogar auf 7-8 bar (das ist etwa mit dem Luftdruck in einem Lkw-Reifen zu vergleichen).
Interessant ist außerdem, dass der Druck in der Bandscheibe im Lauf der Nacht von 1 bar beim Beginn der Ruhephase bis auf 2,4 bar gegen morgen ansteigt, wenn sich die Bandscheibe wieder mit Flüssigkeit anreichern.
Es wurde nachgewiesen, dass beim Sitzen abgestützte und lässige Sitzhaltungen weniger Druck in den Bandscheiben erzeugen als aufrechtes Sitzen und Stehen: Das Sitzen, entspannt nach hinten gelehnt, ergab einen Wert 2,7 bar, nach vorne geneigt sitzend und dabei auf den Ellenbogen abgestützt, ergab einen Wert von 4,3 bar. Entspanntes Sitzen ohne Lehne (leicht gekrümmt bzw. zusammengefallen) erhöhte den Messwert auf 4,6 bar, gerades aufrechtes Sitzen dagegen ergab einen Wert von 5,5 bar und liegt damit etwas höher als das Messergebnis beim entspannten Stehen mit 5 bar.
Quelle: Spine, Volume 24, 1999 „New In Vivo Measurements of Pressures in the Intervertebral Disc on Daily Life“
Für das Liegen können daraus folgende Schlüsse gezogen werden: Entscheidend ist nicht die Ausrichtung des Körpers. Die Bandscheiben sorgen im Liegen für sich selbst und benötigen keine besondere Stellung, um sich wieder mit Flüssigkeit anzureichern. Ein erhöhter Druck in den Bandscheiben kann außerdem nicht als negativ angesehen werden, vielmehr scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Siehe dazu den Text „Dem Bandscheibenvorfall vorbeugen“
Unser Kommentar:
Wenn allein durch das Drehen von der Rücken- in die Bauchlage Spitzendrücke von bis zu 8 bar in der Bandscheibe gemessen werden, sollte bei der Frage nach der „richtigen Matratze“ ein völlig anderer Zusammenhang ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, Zielsetzung ist nicht die Betrachtung, wie die Wirbelsäule ausgerichtet ist, sondern wie man den Bewegungsapparat insgesamt helfen kann, sich zu harmonisieren. Der Körper muss sich wohlfühlen, die Muskeln, die Bänder und das Bindegewebe müssen sich strecken, untereinander ausgleichen und entspannen können. Wie weich letztlich eine Matratze sein soll, wie tief Schulter oder Gesäß einsinken sollen, ist daher weitgehend individuell zu ermitteln, abhängig von den persönlichen Gewohnheiten bzw. den Eingewöhnungen des jeweiligen „Bewegungsapparates“.